Wiedersehen mit Walter Gropius im Orient-Express – Alma und Gustav Mahlers getrennte Anreisen zur Überfahrt nach New York 1910

Am 25. Oktober 1910 erreichte New York an Bord des Schnelldampfers S. S. Kaiser Wilhelm II gemeinsam mit Tochter , der Gouvernante und ihrem Ehemann , wo dieser als Chefdirigent die dortigen Philharmoniker für die Konzertsaison 1910/1911 leiten sollte. Zuvor hatten und das europäische Festland an unterschiedlichen Häfen verlassen, entsprechend gesonderte Reiserouten, aber auch jeweils ein abweichendes Abreisedatum gewählt. Dies ermöglichte wiederum ein Wiedersehen mit in Wien und schließlich im Orient-Express nach Paris.

In einem Brief an vom August 1910 äußerte seinen anfänglichen Plan, wie seine über Paris zu reisen ( Nr. 13, S. 83). Ein weiterer, jedoch nicht mehr zugänglicher Brief an vom 3. Oktober enthält den Entschluss, dass am 15. Oktober nach Paris abreisen und selbst zwei Tage später mit Tochter nachkommen würde (, S. 1031 und 1032, Anm. 304). In diesem Zusammenhang wurde vermutet, „daß Mitte Oktober 1910 ein Konzert in Paris, möglicherweise ein Liederabend, geplant war“ (, Kommentar von Peter Revers, S. 84). Letztlich hat im Herbst 1910 in Paris kein Konzert dirigiert (vgl. , S. 275–293).

Nach Erinnerungen „trafen wir einander in Cherbourg“ (, S. 228). Die Passagierlisten der Wilhelm II belegen einen Zustieg der Familie Mahler in Cherbourg jedoch lediglich für das Vorjahr 1909 (, Ship Manifest, Frame 0218). Im Jahr 1910 sollte dagegen die Wilhelm II nicht in Cherbourg, sondern in Boulogne-sur-Mer anlegen (, Ship Manifest, Frames 0613–0862). Indes bleibt es ein Rätsel, wieso seine Reiseroute schließlich änderte: Zunächst soll Anfang Oktober mitgeteilt haben, dass zuerst nach Hamburg und erst anschließend nach Bremen reisen würde (, S. 1032, bei Anm. 305). Ein längerer Aufenthalt in Hamburg ist allerdings nicht belegt. Jedenfalls kündigte am 15. Oktober Abreise von Wien für den Abend desselben Tages an (AM41). Zuvor hatten dieser und seine um 18.30 Uhr zum Abschied Besuch von und erhalten (, S. 7). Wahrscheinlich deshalb verschob ihr eigenes Abreisedatum auf den 16. Oktober.

Die sich ändernden Reisepläne hatte bei für Verwirrung gesorgt: Am 29. September war erstmals ein Datum für (und wahrscheinlich auch für ) ursprünglich geplante Abreise gefallen: Ich reise am 14[.] [Oktober] nach Paris – schreibe mir auch dort noch einen letzten europäischen Gruß hin (AM38). Diese Nachricht wurde jedoch erst am 4. Oktober an geschickt und am 5. Oktober an seine neue Adresse nach Wilmersdorf bei Berlin weitergeleitet. Er erhielt AM38 schließlich erst nach nächstem Brief, AM39 vom 3. Oktober. Dieser enthielt die neue Information, dass sie ohne ihren mit dem Orientexpress nach Paris fahren würde. Zugleich forderte sie auf in München in meinen Zug zu steigen. In einem am 7. Oktober geschriebenen, doch wiederum erst später, am 12. des Monats, abgesendeten Brief teilte noch die genaue Uhrzeit der Abreise und ihr Zugabteil mit: 14ten October um 1155 vormittags […]. Mein Coupée-Bett No 13 – ist im II ten Wagon – Schlafwagen (AM40). Frühestens am 8. Oktober notierte sich dieser die Abfahrtszeiten des Orient-Expresses für Wien, Salzburg und München (WG80) und schrieb am 15. Oktober aus Wien: auf Deinen Brief [= AM40], der Donnerstag Nachmittag [= 13. Oktober] bei mir eintraf, war es selbstverständlich, daß ich abfuhr. […] Ich fuhr Dir bis Salzburg entgegen, Du warst nicht im Zuge. […] Ich wollte nichts unversucht lassen, fuhr deshalb in der Nacht hierher (WG83; vgl. hierzu irrtümlich , S. 104, wonach am Münchener Bahnhof in den Orient-Express gestiegen sei). Am 15. Oktober informierte über die Uhrzeit und den Ort für ein gemeinsames Treffen in Wien (1/2 4h in der Stefanskirche – Türkendenkmal) und fixierte schließlich ihr neues Abreisedatum: Ich reise morgen Orientexpress (AM41), also am 16. Oktober.

An diesem Tag war bereits in Berlin angekommen. Das bislang einzige Zeugnis hierfür entstammt den Erinnerungen von , den besuchte: „Das letzte Mal sah ich ihn ein halbes Jahr vor seinem Tode. Er stand vor der Reise nach Amerika. Und auf dem Wege dahin, zwischen Berlin und Hamburg, war er auf Besuch bei mir in Nikolassee. Doch fiel kein Wort über die Zukunftspläne des einen oder des anderen. Er spielte bloß im Garten mit meinem Kinde“ (, S. 18). Noch am selben Tag soll einen Zug in Richtung Hamburg – nun also lediglich als Zwischenstation – und Bremen genommen haben (, S. 1033). Ebenfalls am 16. Oktober, vormittags, waren und mit dem Orient-Express nach Paris abgefahren. Er musste sich am Wiener Bahnhof vor hüten (AM41), sie dagegen sich im Zug entziehen, der ihr anscheinend sehr nachstellte (WG87 vom 19. auf den 20. Oktober 1910). und fuhren, wie bereits für den 14. Oktober geplant (AM40), laut Fahrplan um 11.55 Uhr in Wien ab und kamen am 17. Oktober um 8.40 Uhr morgens in Paris an (, Fahrplannummer 169). Sie konnten den restlichen Tag und wahrscheinlich auch den 18. Oktober zusammen verbringen, ehe am 19. Oktober an die französische Küste weiterreisen sollte (s. einen Brief aus Paris von an : „In der größten Eile schicke ich Ihnen den Text zurück“, , S. 26, undatiert, jedoch mit Poststempel wahrscheinlich vom 19. Oktober 1910, so , S. 40; vgl. hingegen , S. 1032, Anm. 305, wonach bereits am Morgen des 18. Oktober den Zug zur Weiterfahrt genommen habe). Während eines privaten Gesprächs in den späten 1950ern zwischen und soll sich dieser an eine Pariser Zeit mit von mehreren Tagen erinnert haben (, S. 1033). Es ist also wahrscheinlich, dass erst am 19. Oktober abfuhr – schließlich nach Boulogne-sur-Mer. Dort angekommen, bestieg sie am selben Tag zusammen mit Tochter und letztlich das Schiff nach New York. An Bord traf sie , der bereits am 18. Oktober in Bremerhaven zugestiegen war (, Ship Manifest, Frames 0631 und 0656; vgl. , S. 1036, Anm. 311 und 325).